Lieder und ihre Geschichten
Die Ära der klassischen Blues-Sängerinnen
Dieser Beitrag enthält:
- Einleitung
- Was ist ‘Race Records’? (Eine kurze Erläuterung)
- Die Lieder: Originalaufnahmen, moderne Aufnahmen, und kurze Anekdoten.
Einleitung
Mehr als 15 Jahre bevor Robert Johnson überhaupt seine erste Aufnahme gemacht hat, war Blues durch eine Gruppe von Vorreiterinnen bereits weitverbreitet: Frauen wie Mamie Smith, Ma Rainey, Bessie Smith, Lucille Bogan, Alberta Hunter, Ida Cox und viele andere. Diese frühen Bluessängerinnen trotzten Rassismus, Sexismus, und viele ebenso der Armut. Ihr Leben war durch einen unabhängigen Geist geprägt, weil sie durch schwere Kindheiten und frühe Karrieren in umherziehenden Minstrel Shows früh gezwungen wurden unabhängig zu werden. Sie waren furchtlos und stark und sagen darüber, wie die Wirklichkeit aussah.
Mittwoch 8. März 2017 wurde es mir ermöglicht, dass ich meinen Respekt und meine Wertschöpfung diesen Frauen gegenüber zum Ausdruck bringen durfte. Es war der internationale Frauentag. Ich wurde gefragt, ob ich eine Rede über einflussreiche Frauen in Blues halten möchte und ein DJ Set nur über weibliche Bluessängerinnen für einen Bluestanzabend machen wollte. Ich habe mich geradezu auf die Gelegenheit gestürzt.
Ich habe ein DJ Set, genannt ‘Blues Queens of the 1920s and 1930s’, erstellt. Das Ziel war es Lieder aufzuzeigen, die von Frauen in den 1920er und 30er als ‘Race Records’ geschrieben und/oder in den aufgenommen wurden. Weiters wollte ich erreichen, dass TänzerInnen die Bedeutung der Lieder verstanden, indem ich nach jedem gespielten Lied eine kurze Anekdote vortrug. Und daraus ist dann die „Lieder und Geschichten“ Idee entstanden… Ich habe bisher verschiedene Varianten diese Sets auf verschiedenen Events gespielt und hatte bereits zahlreiche Anfrage die Set Liste und die Geschichten zu teilen. Hier ist sie nun (oder zumindest eine Auswahl der Lieder)! Ich hoffe sie gefällt euch!
Was ist ‘Race Records’? (Eine kurze Erläuterung)
Der Begriff ‘Race Records’ bezieht sich auf Phonograph Aufnahmen von afro-amerikanischen KünstlerInnen, die in erster Linie für afro-amerikanisches Publikum in den 1920er-40er in den USA vermarktet wurden. Man nimmt an, dass der Begriff von Ralph Peer stammt – damals Aufnahmeleiter von Okeh. Es war in erster Linie ein Begriff um Musik zu kategorisieren und bezog sich zu dieser Zeit auf jegliche Musik von Schwarzen wie Blues, Jazz, Gospel, und sogar gesprochene Komödien.
Zwischen 1945 – 1949 publizierte ‚Billboard‘ eine ‚Race Records‘ Hit-Paraden, welche die derzeitigen Schlager basierend auf Juke Box abgespielten Liedern und Verkaufszahlen zeigte. 1949 wurde der Name der Tabelle auf ‚Rhythm and Blues‘ Hit-Paraden geändert, da der Begriff als abwertend wahrgenommen wurde. Jerry Wexler, der den Namen änderte, schrieb: „ ‚Race Records‘ war zur damaligen Zeit ein gebräuchlicher Begriff, ein selbst bezogener Begriff, der von Schwarzen verwendet wurde… Auf der anderen Seite, ‚Race Records passte nicht mehr so richtig… Ich dachte mir einen Begriff aus, der gut zu Musik passte – ‘Rhythm and Blues.’… [Es war] ein Markenzeichen, welches mehr zu einer aufgeklärteren Zeit passte.” [1]
DIE LIEDER
1. CRAZY BLUES
Verfasst von Perry Bradford
Erstmals aufgenommen 1922 von Mamie Smith
‘Crazy Blues’ war das Lied, welches die Ära von klassischen Blues-Sängerinnen einleitete.
Im Februar 1920, arrangierte Perry Bradford, ein afro-amerikanischer Musiker und Komponist, ein Treffen für Mamie Smith mit Okeh Recodrs, um ‘That Thing Called Love’ (ein Lied im Vaudeville Stil) und ‘You Can’t Keep a Good Man Down’ (ein Blues-Lied) aufzunehmen. Es wird behauptet, dass Okeh Records Aufrufe zum Boykott der Firma hinnehmen musste. Jedoch ließen sie sich nicht davon abbringen und machten die Aufnahmen.
Die Aufnahme wurde erst im Sommer veröffentlich und wurde als eine von vielen Aufnahmen ohne große Aufmerksamkeit oder Werbung durch Okeh Records herausgebracht. Nichtsdestotrotz bewarb die schwarze Presse die Veröffentlichung und schwarze Gemeinden in ganz Amerika kaufte jede Kopie, die sie finden konnten.
Okeh realisierte, dass die Afro-amerikanische Bevölkerung einen ganz neuen Markt eröffnete um ein Geschäft zu machen. Deshalb hat die Plattenfirma im August 1920 schnell die Platte ‚Crazy Blues‘ mit den neu-benannten ‚Mamie Smith‘s Jazz Hounds‘ aufgenommen. Dieses Mal wurde die Aufnahme beworben, und die Verkaufszahlen waren unvergleichlich hoch. Der Erfolg von ‚Crazy Blues‘ hatte die neue ‚Race Records‘ Branche hervorgebracht und öffnete die Tür für die Ära von klassischen Blues Sängerinnen.
‘Crazy Blues’ wurde 1994 in die Grammy Hall of Fame aufgenommen.
Hier könnt ihr euch die Originalaufnahmen (Mamie Smith, 1920) und eine Aufnahme durch Catherine Russell von 2011, welche als Filmmusik zu Boardwalk Empire Volume 1 existiert, anhören.
2. DOWNHEARTED BLUES
Verfasst von Alberta Hunter und Lovie Austin
Erstmals aufgenommen 1923 durch Alberta Hunter und Lovie Austin
Die Originalaufnahme produzierte ein Mann namens ‘Ink’ Williams bei ‚Paramount Records‘ – der erfolgreichste ‚Race Records‘ Produzent seiner Zeit. Man behauptet, dass Williams heimlich die Aufnahmerechte an Columbia Records verkaufte. Alles basierte auf einem Deal bei dem er alle Rechte und Lizenzgebühren an sich riss, wobei Hunter und Austin leer ausgingen.
1923 produzierte Columbia eine Aufnahme mit Bessie Smith als Sängerin – Es war Bessie’s erste Aufname und wurde ein sofortiger Erfolg, mit über einer Million verkaufter Exemplare. Diese Aufnahme etablierte Bessie Smith als die erfolgreichste schwarze Künstlerin in ihrer Zeit.
Bessie’s Version von ‘Downhearted Blues’ wurde in die Rock and Roll Hall of Fame als eine von 500 Liedern aufgenommen, welche Rock ‘n’ Roll bis heute am meisten geprägt hatten.
Ich lasse Alberte selbst für euch das Lied vorstellen:
(Beachtet bitte, dass sie ihre Lizenzrechte erwähnt… entweder ist die Information, dass Ink Williams die Lizenzrechte verkauft hat, inkorrekt, oder etwa Alberta schaffte es zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens die Rechte ihrer Lieder zurückzugewinnen. Ich bin mir nicht sicher. In jedem Falle, ging es für Alberta gut aus!)
Hier ist eine kurze Playlist, welche Alberta’s Originalfassung (1922), Bessie’s Version (1923), und zwei moderne Aufnahmen enthält: Eine von Barrelhouse Jazzband (1982) und eine Aufnahme von Queen Latifah im HBO Bessie Film (2015).
3. EMPTY BED BLUES
Verfasst von J.C. Johnson
Erstmals aufgenommen 1928 von Bessie Smith
Bessie Smith war ohne Zweifel bi-sexual, und hatte währenddessen sie auf Tournee war viele Affären mit Frauen. Man behauptet, dass Bessie in ständiger Angst vor ihrem gewalttätigen Ehemann, sollte er von ihren Affären erfahren. Aber der Blues gab ihr die Möglichkeit das laut Auszusprechen und zu Singen, was sie in ihrem innersten als Geheimnis verbarg.
Zum Beispiel, sang sie gewöhnlich eine Version des Liedes “Empty Bed Blues”, der von einer Liebe eines Mannes zeugte, welche sie aber auf Live-Auftritten auf folgende Art sang (Es gab nie eine Aufnahme davon):
“Ich möchte eine tiefseetauchende Frau, welche einen Anschlag besitzt, der nicht falsch liegen kann. Yeah, berühr‘ diesen Hintern, Mann, halte ihn die ganze Nacht fest“. (“I want a deep-sea diving woman that got a stroke that can’t go wrong. Yeah, touch that bottom, gal, hold it all night long.”)
Hört euch hier die Originalfassung von Bessie, und zwei meiner Lieblingsversionen in moderner Fassung, an: eine von der brillanten LaVern Baker, aus dem Album ‘LaVern Baker Sings Bessie Smith’, und eine von Della Reese aus dem Album ‘There’s Always The Blues’, beide 1958 herausgebracht.
4. Nobody Knows You When You’re Down & Out
Verfast 1923 von Jimmy Cox
Erstmals aufgenommen 1927 von Piedmont Blues Musiker, Bobby Leecan. 1929 durch Bessie Smith berühmt geworden.
Die erste Version des Liedes wurde tatsächlich als “Nobody Needs You When You’re Down and Out” aufgenommen und war durch Text geprägt der harte Zeiten widerspiegelte.
Die zweite Aufnahme entstand 1929 durch Pinetop Smith, ein Boogie-Woogie Pianist. In dieser Version wird der Text nicht gesungen, sondern gesprochen. Aber es war die Aufnahme von Bessie Smith, welche 1929 ein großer Hit wurde. Heutzutage ist es das Lied, mit dem Bessie Smith am meisten assoziiert wird.
Interessanterweise, schien der Text des Liedes die Ereignisse um die Veröffentlichung vorhergesagt zu haben. Bessie Smith veröffentlichte das Lied am 13 September 1929. Die New Yorker Börse erreichte ein nie das gewesenes Hoch innerhalb von zwei Wochen. Unglücklicherweise fand zwei Wochen später der große Börsenkrach an der Wall Street statt, und damit der Beginn der großen Wirtschaftsdepression.
Das ist einer meiner absoluten Lieblingslieder und davon habe ich viele verschiedene Versionen. Diese Playliste enthält einige meiner absoluten Lieblingsaufnahmen von Sängerinnen:
5. PROVE IT ON ME
Verfasst von Ma Rainey
Erstmals aufgenommen 1928 durch Ma Rainey
Im Buch ‘Blues Legacies and Black Feminism’ schreibt Angela Y. Davis: “’Prove It on Me’ ist ein kultureller Vorgänger des Bewegung von Lesbien in den 1970er Jahren, welche sich rund um die Darbietung und Aufnahme von Lieder mit lesbisch bestärkender Lebensauffassung herauszukristallisieren began.“
Man behauptet, dass dieses Lied als Antwort auf das Gerücht, dass Ma homosexuell war, aufgenommen wurde. Das passierte zu der Zeit als sie 1925 verhaftet wurde, nachdem sie an einer Orgie mit anderen Frauen in ihrem Haus teilgenommen hatte. Der Text besagt:
„Ich ging letzte Nacht mit einer Gruppe an Freunden weg. Sie müssen Frauen gewesen sein, weil ich keine Männer mag.“ „Es ist wahr, dass ich Kragen und Krawatte trage… Ich rede mit den Mädchen genau wie jeder andere alte Mann… Ich würde es nicht sagen, solange mich keiner dabei erwischt. Du musst es mir erst beweisen.“
Lese hier über die unglaubliche Ma Rainey!
Hört euch hier die Originalaufnahme und eine moderne Fassung von Carmen Twillie von 2015, aus dem HBO Film ‘Bessie’, an.
6. SEE SEE RIDER
Verfasst durch Ma Rainey und Lena Arant
Erstmals aufgenommen 1924 von Ma Rainey
Im Jahr 2004 erhielt die Originalaufnahmen von Ma Rainey die Grammy Hall of Fame Auszeichnung.
Der Film Direktor Martin Scorsese lobte dieses Lied, indem es sein Interesse zur Musik steigerte. (The Blues. Feel Like Going Home. Interview)
Was bedeutet “See See Rider”?
Das Buch ‘The Language of the Blues’ von Deborah Devi beschreibt, dass ‘Rider’ die am meisten gebrauchte Metapher für Geschlechtsverkehr in Blues ist, und kann sich dabei auf Männer wie auf Frauen beziehen (Ma Rainey’s Version scheint sich bei ‚See See Rider‘ auf einen Mann zu beziehen). ‚See See Rider‘ ist ebenso eine Synonym für ‚Easy Rider‘, das sich auf jemanden bezieht, der sexuell promiskuitiv oder leicht zu verführen ist.
Hört euch Rainey’s Orginalversion, und die fabelhafte Cover-version von Louis Armstrong und Velma Middleton an (Es lohnt sich die Einleitung des Liedes durch Louis Armstrong auch anzuhören):
7. BLACK ANGEL BLUES
Verfasst durch Lucille Bogan (?)
Erstmals aufgenommen 1930 von Lucille Bogan
Bogan schrieb die meisten ihrer eigenen Lieder selbst. Dabei wurde sie sehr durch die lärmende und rüde Art von Jook Joints, in denen sie auftrat, beeinflusst. In den 1930er Jahren handelten die meisten ihrer Songs über Alkohol, Sex und, insbesondere, Prostitution.
Dieses Lied wurde unzählige Male unter verschiedenen Titeln neu aufgenommen und ist ein großartiges Beispiel wie Blues Lieder über Zeit ausgeborgt und überarbeitet wurden. ‚Sweet Little Angel‘ war 1956 ein großer Erfolg für BB King – vermeintlich hat BB King angenommen, dass die die Version von Robert Nighthawks, 1949 aufgenommen, die Originalversion war!
Hier könnt ihr euch die Originalversion von Bogan (1930), BB King‘s und Robert Nighthawks‘ version und einige moderne Aufnahmen von Saffire The Uppity Blues Women, anhören:
8. T’AINT NOBODY’S BIZ-NESS IF I DO
Veröffentlicht durch Porter Grainger und Everett Robbins im Jahre 1922
Erstmals aufgenommen 1922 durch Anna Meyers, unterstützt durch Original Memphis Five. Andere frühe Aufnahmen beeinhalten Sara Martin (mit Fats Waller auf dem Klavier), Alberta Hunter und Bessie Smith.
In Bessie Smith’s Version hatte sie Liedtexte über ihre gewalttätigen Partner hinzugefügt (es war bekannt, dass sie einen gewalttätigen Partner hatte):
I’d rather my man would hit me, than to jump right up and quit me …
I swear I won’t call no copper, if I’m beat up by my papa
Tain’t nobody’s business if I do
1947 belebte Jump Blues Sänger Jimmy Witherspoon das Lied und benannte es in „Ain’t Nobody’s Business” um. Witherspoon’s Version wurde 2011 in die Blues Foundation Hall of Fame aufgenommen.
Es gibt tatsächliche hunderte von Version von diesem unglaublichem Lied. In dies Playliste habe ich die Originalaufnahme von Anna Meyers (1922), eine frühe Aufnahme von Bessie Smith und Sara Martin, sowie zwei meiner Lieblingsversionen von neueren Aufnahmen durch Otis Spann (1969) und Aurora Nealand (2014) hinzugefügt.
Und ich konnte es unmöglich vermeiden dieses Video von Otis Spann nicht zu posten (es lässt mich eine Gänsehaut bekommen!). Lasst es im Vollbild, mit voller Lautstärke ablaufen und genießt es…
9. WILD WOMEN DON’T HAVE THE BLUES
Verfasst von Ida Cox
Erstmals aufgenommen 1924 durch Ida Cox
Das letzte Lied stammt von einer Frau, die am meisten für Emanzipation und Stärkung der Frauen steht. Ida Cox war bekannt dafür, dass sie Themen von weiblicher Unabhängigkeit, sexueller Befreiung, und sozialer wie auch politischer Machtkämpfe schwarzer Amerikaner, deutlich aus Sicht der Frau, dargestellt hat.
Insbesondere dieses Lied war sehr beliebt und ist bis heute als einer der frühesten ‚feministischen Hymnen‘ bekannt:
“I’ve got a disposition and a way of my own,
When my man starts to kicking I let him find a new home,
I get full of good liquor, walk the street all night
Go home and put my man out if he don’t act right
Wild women don’t worry,
Wild women don’t have the blues”
The unten gelistete Playlist beinhaltet Ida’s Orginalaufnahme von 1924, und eine neuere Aufnahme von 1961 mit besserer Soundqualität.
SOURCES
[1] Wikipedia: Wexler, Jerry; Ritz, David (1993). Rhythm and the Blues: A Life in American Music. New York: Alfred A. Knopf.
Black Pearls: Blues Queens of The 1920s by Daphne Duval Harrison
Blues Legacies and Black Feminism by Angela Y Davis
The Language of the Blues by Debra Devi